Liebi Iwohnerinne und Iwohner von Urtenen-Schönbühl,
Gschetzti Gescht

O im Name vom Gmeindrat begrüesse ig Öich herzlich zur disjährige 1. August-Fiir.

Ig haute hüt zum erste Mau e 1. August Aschprach. Ig ha mi aus erschts gfragt, ob me so ne Feschtred uf Bärndütsch oder uf Hochdütsch sött haute. Bärndütsch wär äuä chli volksnöcher. Uf der angere Site isch d’Schwyz mehrsprachig u Bärndütsch isch ja ke Landessprach. U dr Bundesbrief vo 1291, sozäge z’Gründungsdokument vor Schwyz, isch uf Latinisch verfasst worde. Uf jedefau han ig mi nid würklech chöne entscheide. Drum hani d’Amélie gfragt, mini 15jährige Tochter. Sie het wortwörtlech fougendes gmeint: Papa, ig i würds uf Hochdütsch mache, wüu es chönnt ja si, dass es dert Lüt het, wo Bärndütsch nid so guet verschtöh.

Diese Antwort hat mich überzeugt: Die Schweiz nimmt Rücksicht. Wir wollen einander verstehen.

Und damit sind wir bereits beim Thema des heutigen Abends: unsere nationale Identität. Denn heute feiern wir die Schweiz und damit auch unsere nationale Identität.

Die nationale Identität gibt Antwort auf die Frage: Wer sind wir? Und diese Frage wird heute weltweit wieder häufiger gestellt. In den USA zum Beispiel war Donald Trumps Slogan „Make America Great Again“ ein klarer Appell an die nationale Identität – und er hat damit die Wahl gewonnen. Auch in der Schweiz ist die Frage nach dem Wir wichtiger geworden. Seit den 90er-Jahren stimmen wir immer wieder über Themen ab, die mit Herkunft, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung zu tun haben – zum Beispiel über die „Ehe für alle“ oder das „Burkaverbot“. Nur damit wir uns richtig verstehen: Ich finde es richtig und wichtig, dass wir über solche Fragen diskutieren und abstimmen.

Dennoch finde ich es interessant, dass diese Fragen wichtiger geworden sind. Denn die Schweiz ist eine liberale Demokratie. Und in liberalen Demokratien steht die persönliche Entfaltung im Zentrum – also die Frage: „Wer bin ich?“ Wie kommt es, dass die Frage «Wer sind wir» in den Vordergrund gerückt ist?

Das hat mit einer Entwicklung zu tun, die der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama beschrieben hat. Er sprach vom „Ende der Geschichte“. Was meinte er damit?

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es drei grosse politische Ideen: Faschismus, Kommunismus und liberale Demokratie. 1945 wurde der Faschismus besiegt. 1989 fiel die Berliner Mauer, und 1991 zerbrach die Sowjetunion. Fukuyama schloss daraus: Die liberale Demokratie bleibt als einziges legitimes System übrig – die Geschichte der politischen Ideen sei zu Ende.

Aber es kam anders. Mit dem Untergang des Kommunismus verlor die liberale Demokratie ein Stück ihrer Identität. Es fehlte der Gegensatz, an dem man sich orientieren konnte. Doch das Bedürfnis nach Zugehörigkeit – das ist geblieben. Also begannen sich viele Menschen über ihre Religion, ihre Kultur oder ihre Herkunft zu definieren – nicht mehr über politische Ideen. An die Stelle einer gemeinsamen nationalen Identität trat eine Vielzahl von Gruppenidentitäten. Die Gesellschaften spalteten sich. In vielen Ländern nahm die Polarisierung zu – und mit ihr auch autoritäre Tendenzen. Besonders deutlich sehen wir das heute in den USA.

Die Schweizer Demokratie aber ist stabil geblieben. Die Polarisierung ist überschaubar. Die Schweiz hat sich insbesondere als sehr widerstandsfähig gegen autoritäre Tendenzen erwiesen. Ich glaube, das liegt daran, dass wir in der Schweiz noch immer eine starke gemeinsame Identität haben. Sie beruht meines Erachtens auf drei Säulen:

  • Erstens der direkten Demokratie
  • Zweitens der Konkordanzkultur und
  • Drittens dem sozialen Ausgleich.

Zuerst zur direkten Demokratie.

Francis Fukuyama hat 30 Jahre nach seiner These vom «Ende der Geschichte» folgendes geschrieben: «Menschen wollen nicht nur materielle Güter; sie wollen geachtet und als gleichwertig behandelt werden. […] Demokratische Gesellschaften können nicht gedeihen, wenn sie ihren Mitgliedern nicht das Gefühl vermitteln, dass sie geschätzt werden und dazugehören.»

In der Schweiz haben wir direktdemokratische Werkzeuge wie Initiativen und Referenden. Diese haben viele Vorteile:

Sie kontrollieren das Parlament und die Regierung. Sie sorgen dafür, dass wichtige Themen öffentlich debattiert und entschieden werden.

Noch wichtiger: Sie geben den Menschen das Gefühl, dass ihre Stimme zählt. In der Schweiz kann niemand sagen: „Ich werde nicht gehört.“ Jede und jeder kann politische Vorschläge und Initiativen lancieren, die meisten können abstimmen. Das stärkt das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein. Und wer sich als Teil des Ganzen fühlt, hat keinen Grund, das demokratische System in Frage zu stellen.

Eine zweite wichtige Säule unserer nationalen Identität ist die Konkordanzkultur:

In der Schweiz gilt: Alle massgeblichen politischen Kräfte – von links bis rechts – sind in die Entscheidungsfindung eingebunden. Unsere Regierung besteht nicht aus einer einzelnen starken Person, sondern aus einem Gleichgewicht der Kräfte.

Das bedeutet auch: Minderheiten werden nicht ausgeschlossen, sie können sich einbringen. Ihre Meinung wird gehört. Und: Politische Gegner müssen zusammenarbeiten. Dadurch lernen sie, sich gegenseitig zu respektieren.

Die Konkordanzkultur schützt uns davor, dass sich die Gesellschaft in feindliche Lager aufteilt – wie es in anderen Ländern passiert. Natürlich darf und soll man politisch streiten. Aber in der Schweiz gehören Respekt, Anstand und Zusammenarbeit zur politischen Kultur.

Ein dritte wichtige Säule unserer nationalen Identität ist der soziale Ausgleich:

Die Krise der liberalen Demokratien ist eigentlich erstaunlich. Denn die Welt hat sich seit 1990 wirtschaftlich äusserst vorteilhaft entwickelt. Der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, ist stark gesunken – von fast 40 % im Jahr 1990 auf etwa 10 % im Jahr 2022.

Und dieser weltweite Fortschritt ging dabei nicht auf Kosten der westlichen Länder. In der Schweiz zum Beispiel ist das reale Bruttoinlandprodukt pro Kopf seit 1990 um etwa einen Drittel gestiegen. In den USA nahm der Wohlstand in dieser Zeit übrigens noch stärker zu als bei uns.

Gleichzeitig nahm in vielen westlichen Ländern aber die soziale Ungleichheit stark zu. Diese Unterschiede schwächen den Zusammenhalt und führen dazu, dass Menschen sich abgehängt fühlen und sich von der Demokratie abwenden. Das gibt autoritären Bewegungen Auftrieb.

Auch hier ist die Schweiz ein Sonderfall: Seit 1990 ist die Einkommensungleichheit in der Schweiz kaum grösser geworden. Die Unterschiede beim Vermögen sind auch nicht so stark gewachsen wie anderswo.

Der sozialen Ausgleich ist bei uns stark verankert. Der Lastenausgleich zwischen den Kantonen und Lastenausgleiche zwischen Gemeinden sorgen für einen sozialen Ausgleich zwischen den Regionen. Die Sozialversicherungen und Sozialstaat stellen sicher, dass auch Menschen mit keinem oder tiefem Einkommen ein würdiges Leben führen und am sozialen Leben partizipieren können.

Der sozialen Ausgleich stärkt unser Gefühl, dass wir alle zur gleichen Gemeinschaft gehören.

Liebi Iwohnerinne und Iwohner,
Liebi Schwizerinne und Schwizer

Was isch üsi nationale Identität? Es ghört zure lebendige Demokratie, dass me o dadrüber unterschiedlecher Meinig darf sie. Ig persönlich gloube, dass direkti Demokratie, Konkordanzkultur und soziale Usglich die tragende Säule vo üsere nationale Identität si. U ig finde, dass das e starchi nationali Identität isch. Wüu sie macht aune Mönsche, wo i däm Land läbe, es attraktivs Angebot, sich mit dr Schwyz z’identifizieren und sich für d’Schwyz isetze.

Ig danke Euch für Eui Ufmerksamkeit und wünsche Öich e schöni erscht-Aguschtfiir.